Faktencheck Stade Rückbau
„Ist Stade die „teuerste Baustelle“ unserer Zeit“?
Quelle: Wirtschaftswoche, 21.04.2017
Zitat: „Nur dass Kleins Auszug eine Milliarde Euro gekostet haben wird. Und er keine Mietwohnung verlässt, sondern das größte Malheur der deutschen Industriegeschichte abwickeln muss.“
Fakt: Das Kernkraftwerk Stade war zum Zeitpunkt seiner Inbetriebnahme durch gesellschaftlichen und politischen Willen gewollt. Es hat 153 Mrd. kWh Strom produziert und als einziges Kernkraftwerk in Deutschland einen nahe gelegenen Salinenbetrieb mit Prozesswärme versorgt. Über 31 Jahre lang hat das Kernkraftwerk Stade damit zur sicheren Stromversorgung in Deutschland beigetragen.
- Erläuterung:
- Das Kernkraftwerk Stade gehörte zu den ersten rein kommerziell genutzten Kernkraftwerken der Bundesrepublik. Der Druckwasserreaktor hatte eine elektrische Leistung von netto 640 MW. Seine Leistung war etwa um die Hälfte niedriger als die Leistung späterer Anlagen. Dennoch war es zum Zeitpunkt seiner Inbetriebnahme das leistungsstärkste Kernkraftwerk mit Druckwasserreaktor in Deutschland.
- Die notwendigen Mittel für den Rückbau wurden vorschriftsgemäß vom Unternehmen zurückgestellt. Ein großer Teil des Rückbaus ist bereits abgeschlossen und ausschließlich von den Eigentümern bezahlt worden, wie auch die noch in Umsetzung befindlichen Arbeiten ausschließlich von diesen bezahlt werden.
- Für die Zwischen- und Endlagerung wurden sämtliche bisher angefallenen Kosten getragen und die noch erwarteten Kosten zuzüglich Risikovorsorge und –zuschlägen werden mit Inkrafttreten des Entsorgungskonsensgesetzes (erwartet für Mai 2017) an die Bundesregierung gezahlt werden (s. auch Zitat 3).
- Weiterführende Informationen:
- Aus technischer Sicht gab es keinen Grund für die Stilllegung des Kernkraftwerks Stade, die Entscheidung zur Stilllegung fiel ausschließlich aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungen vor dem Hintergrund der damaligen Gesetzeslage. Bereits im Juli 2001 wurde der Genehmigungsantrag für die erste Phase des Rückbaus, den Restbetrieb der Anlage und die Errichtung des Zwischenlagers für radioaktive Abfälle, die in den Phasen des nuklearen Rückbaus anfallen, gestellt.
- Die Anlage war von seiner Abschaltung 2003 bis zur Erteilung der ersten Rückbau-genehmigung am 7. September 2005 im Nichtleistungsbetrieb. Im Oktober 2005 begann der nukleare Rückbau.
- http://www.umwelt.niedersachsen.de/kernkraftwerk_stade/
- https://www.preussenelektra.de/pe-internet/stade
- https://www.preussenelektra.de/cps/rde/xbcr/pe-internet/Zahlen%20und%20Fakten%20KKS.pdf
Zitat: „In diesen Wochen beginnt das teuerste deutsche Bauprojekt im 21. Jahrhundert: der Abriss aller 19 Atomkraftwerke.“
Fakt:
- Je nach Kraftwerkstyp und –größe werden ca. 1 Mrd. Euro je Kraftwerksrückbau veranschlagt. Dies sind Kosten für die wir als Betreiber Rückstellungen gebildet haben und für die wir aufkommen.
- Der vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebene so genannte „Stresstest“ hat sowohl die seit Jahrzehnten geübte Rückstellungspraxis als auch die Höhe der Rück-stellungen als ausreichend bestätigt.
- Unsere weit fortgeschrittenen Rückbauprojekte Würgassen und Stade bestätigen diese Kostenschätzung.
- Erläuterung:
- Im Gegensatz zu anderen Projekten beweist Stade, dass der nukleare Rückbau erfolgreich abgewickelt werden kann, wie wir ihn auch bereits in Würgassen erfolgreich abgeschlossen haben.
- Wir haben zusätzlich gezeigt, dass wir unvorhergesehene Themen zügig angehen können.
- Die EEG-Umlage 2017 kostet etwa alle 15 Tage 1,1 Mrd. €. In Stade wird für die Summe eine Anlage zurückgebaut, die über 30 Jahre zuverlässig, sicher und klimaschonend Strom erzeugt hat.
- Es gab keine Kostenexplosionen bei den bisherigen Rückbauprojekten, wie sie in anderen Bereichen durchaus üblich sind.
- Weiterführende Informationen:
- http://bmwi.pro.contentstream.de/18004initag/ondemand/3706initag/bmwi/pdf/stresstestkernenergie.pdf
- http://erneuerbare-energien.de/EE/Redaktion/DE/Downloads/eeg-in-zahlen-pdf.pdf?__blob=publicationFile
- https://www.netztransparenz.de/portals/1/Content/EEG-Umlage/EEG-Umlage%202017/20161014_Veroeffentlichung_EEG-Umlage_2017.pdf
- http://www.spiegel.de/forum/wirtschaft/mckinsey-gutachten-kosten-fuer-stuttgart-21-steigen-auf-68-milliarden-euro-thread-77830-1.html
- http://www.zeit.de/2013/31/stuttgart-21-gutachten
- http://www.rp-online.de/wirtschaft/unternehmen/flughafen-berlin-ber-wird-voraussichtlich-acht-milliarden-euro-kosten-aid-1.4145075
- http://www.morgenpost.de/flughafen-berlin-brandenburg/article124365097/Hauptstadtflughafen-BER-kostet-pro-Monat-17-Millionen-Euro.html
Zitat: „Von den Kosten für die Endlagerung haben sie sich freikaufen können, weitere 23 Milliarden Euro werden sie dafür, über knapp zwei Jahrzehnte gestreckt, an den Bund überweisen.“
Fakt:
- Alle bisher angefallenen notwendigen Kosten für die Endlagerung wurden von den Betreibern und Eigentümern gezahlt.
- Die noch erwarteten anfallenden Kosten werden ebenfalls von den Betreibern gezahlt - und zwar laut Gesetzgebung bereits vorab.
- Auf diese - laut „Stresstest“ der Bundesregierung bereits angemessen Risiken berücksichtigende – Summe wird ein zusätzlicher Risikozuschlag von 35% gezahlt.
- Eine Streckung der Einzahlung bezieht sich nach beschlossener Gesetzgebung nur auf diesen Risikozuschlag. Dieser kann nur über 5 Jahre gestreckt werden und E.ON als Betreiber in Stade hat bereits erklärt, die Möglichkeit der Streckung nicht zu nutzen, sondern den gesamten Betrag umgehend einzuzahlen.
- Im Rahmen der Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs, deren Mitglieder ein breites gesellschaftliches und politisches Feld abgedeckt haben, kam es zu einer von allen Kommissionsmitgliedern getragenen Einigung.
- Seit vielen Jahren schon wurde die Forderung erhoben, die Rückstellungen für die Endlagerung an den Bund übergehen zu lassen. Diesem Wunsch ist die KFK mit ihrer Empfehlung gefolgt, und der Gesetzgeber hat dies nun gesetzlich verankert. Die Energieversorgungsunternehmen haben diesem Vorgehen zugestimmt, um zur Befriedung eines jahrzehntelangen Konflikts beizutragen.
- Erläuterung:
- Die Kommission bestand u.a. aus Mitgliedern von Umwelt- und Naturschutzverbänden und wurde durch den erklärten Kernenergiegegner Jürgen Trittin geleitet.
- Das daraus resultierende Gesetz zur kerntechnischen Entsorgung wurde mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis90/Den Grünen angenommen.
- Weiterführende Informationen:
- https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2016/04/2016-04-27-finanzierung-kernenergieausstieg.html
- https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/Gesetz/gesetz-zur-neuordnung-der-verantwortung-der-kerntechnischen-entsorgung-fakten-und-ergaenzende-informationen.pdf?__blob=publicationFile&v=12
- http://www.abgeordnetenwatch.de/verantwortung_fuer_die_kerntechnische_entsorgung-1105-829.html
Zitat: „Verbunden ist alles über einen geschlossenen Wasserkreislauf. Geschützt ist dieser gesamte Kern der Anlage durch eine Kugel aus Stahl, der sogenannten Kalotte, die wiederum von der Umfassung aus Stahlbeton umgeben ist.“
Fakt:
- Innerhalb des kugelförmigen Sicherheitsbehälters aus Stahl befindet sich der zylinderförmige Splitterschutz, in dem ursprünglich der Reaktordruckbehälter angeordnet war. Dieser Splitterschutz steht auf einem Betonfundament im unteren Bereich des Sicherheitsbehälters, der keine Verbindung zum Erdreich hat. Der Bereich wird als „Kalotte“ bezeichnet.
- Die „Kugel aus Stahl“ ist der umliegende Sicherheitsbehälter und nicht die Kalotte.
- Erläuterung:
Das Reaktorgebäude lässt sich in verschiedene, für den Rückbau relevante Bereiche aufteilen, die da sind:
- Im Inneren, wo einst der Reaktor mit seinen Unterstützungskomponenten platziert war, befinden sich massive Stahlbetonkonstruktionen. Die technischen Komponenten des Reaktors wurden bereits entfernt. Der Bereich innerhalb des Splitterschutzes hat einen Durchmesser von ca. 32,00 m und endet auf ca. +30 m ü. KN. Somit ergibt sich für den rückzubauenden Gebäudeteil eine Höhe von ca. 19,00 m.
- Umgeben wird dieser Innenbereich von zylinderförmigem Stahlbeton, mit Wandstärken bis zu 180 cm im unteren und ca. 50 cm im oberen Bereich. Die zurückzubauende Höhe ergibt sich zu ca. 26,00 m. Auf dem oberen Rand des Stahlbetonzylinders befindet sich der Gebäudekran mit zugehörigem Schienensystem. Die Krananlage ist nicht mehr in Betrieb.
- Außerhalb davon befinden sich Bühnen, Treppen und einige Räume in überwiegend dünnwandiger Stahlbetonbauweise. Diese Stahlbetonkonstruktionen werden von einem kugelförmigen Sicherheitsbehälter aus 25 mm dickem Stahl umschlossen, mit einem Durchmesser von ca. 48,00 m. Der untere mit Beton abgedeckte Bereich des Sicherheitsbehälters ist der Kalottenboden, kurz „Kalotte“ genannt. Der Beton im Kalottenboden gewährleistet die Standsicherheit der Gebäudestrukturen im Sicherheitsbehälter.
Zitat: „Alle 100 000 Dübel in der Wand der Kalotte mussten einzeln herausgesägt werden, um sie separat dekontaminieren und deponieren zu können. Und so werden die 112 LiterWasser den Abbau um mindestens 500 Millionen Euro verteuern und um acht Jahre verzögern.“
Fakt:
- Die Verzögerung des Rückbauendes ergibt sich nur zum Teil durch die Kontamination des Kalottenbodens. Vielmehr hat sich im Laufe der Ausschreibung der erforderlichen Arbeiten gezeigt, dass die Arbeiten nicht in der ursprünglich vorgesehenen Zeit durchführen konnten, so dass eine Neuaufplanung der gesamten Rückbaugewerke erforderlich war. Das ist nun abgeschlossen, so dass wir davon ausgehen, dass wir den nuklearen Rückbau ca. 2021 abschließen können.
- Die Behauptung, die Kontamination der Kalotte verteuere den Rückbau um 500 Millionen Euro, ist leider eine Falschmeldung einer Nachrichtenagentur aus dem Jahr 2014. Die den Arbeiten einhergehenden zusätzlichen Kosten sind bereits bei der Rückstellungsbildung berücksichtigt und erhöhen unsere Kostenabschätzung von ca. 1 Mrd. Euro für den Rückbau in Stade nicht.
- Das separate Dekontaminieren aller Bauteile, ob Dübel oder nicht, ist der entscheidende und notwendige Teil des Rückbaus bis zur „grünen Wiese“. Mit dem Kalottenboden hat das nichts zu tun.
- Durch das sorgsame Behandeln der einzelnen Bauteile ist der Vorteil, dass nicht alle Bauteile kontaminiert bleiben, sondern dass man nur die tatsächlich kontaminierten Bestandteile ablöst, die nicht kontaminierten Reste wieder in den Wertstoffkreislauf zurückgeben kann und eben – wie hier 112 Liter – nur wenig radioaktiv bleibt.
- Erläuterung:
- In allen Gebäuden des Kontrollbereiches waren ca. 150.000 Metall- und Kunststoffdübel eingesetzt worden. Diese wurden komplett ausgebohrt, um sicherzustellen, dass in allen Bohrlöchern keine radioaktive Kontamination vorhanden ist.
- Unsere Angaben zu künftigen Kosten beinhalten nun alle Lerneffekte aus unserem ersten und bereits abgeschlossenen nuklearen Rückbau eines Siedewasserreaktors in Würgassen, und des weit fortgeschrittenen nuklearen Rückbaus in Stade.
- Weiterführende Informationen:
- http://www.kernenergie.de/kernenergie/themen/entsorgung/stilllegung--rueckbau.php
- https://www.preussenelektra.de/cps/rde/xbcr/pe-internet/Zahlen%20und%20Fakten%20KKS.pdf
- https://www.preussenelektra.de/cps/rde/xbcr/pe-internet/Themenschwerpunkt%20Kalotte.pdf