Faktencheck Rückbau KKU
„Nach dem viertägigen Erörterungstermin im Februar 2016 in der Markthalle Rodenkirchen hat der AKW 20 Dissenspunkte vertieft, die Grundlage für eine Klage sein könnten“
Quelle: Nordwest Zeitung, Ausgabe vom 22.08.2017
Zitat: „Der Arbeitskreis verlangt vom Umweltministerium, dass es andere Vorgehensweisen als den von Eon beantragten direkten Rückbau abwägt - vor allem den sicheren Einschluss.“
Fakt: Alternative Vorgehensweisen und Rückbauvarianten werden immer in Genehmigungsverfahren aufgezeigt und geprüft. Grundsätzlich beruht eine Genehmigung auf der neuesten Gesetzeslage.
- Erläuterung
- Der sichere Einschluss ist als Rückbau-Variante im Rahmen der Gesetzgebung der Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs in breitem gesellschaftlichen und politischen Konsens unter Beteiligung von Naturschutzverbänden und unter Leitung des bekennenden Kernenergiegegners Jürgen Trittin (Bündnis90/Die Grünen) gestrichen worden.
- Entgegen der Einschätzung des Arbeitskreises Wesermarsch gilt für Genehmigungsentscheidungen grundsätzlich immer die aktuellste Gesetzeslage, selbst wenn die Antragsstellung zu einem früheren Zeitpunkt stattgefunden hat. Die Grundlage der Beantragung ist deshalb das Atomgesetz (AtG) vom 29. Juli 2017.
- Der vom Arbeitskreis Wesermarsch (AKW) geforderte sichere Einschluss beschreibt eine Stilllegungsstrategie, bei der die Anlage in einen wartungsarmen Zustand überführt wird und erst nach ca. 30 Jahren zurückgebaut wird.
- Der sichere Einschluss wurde für das KKU geprüft. Aus unternehmerischer Sicht haben die Vorteile des direkten Rückbaus überwogen:
- Wir haben bereits Erfahrung im direkten Rückbau und zwar sowohl eines Siedewasserreaktors (Würgassen) als auch eines Druckwasserreaktors (Stade).
- Das Personal, das seine Anlage wie kein Zweiter kennt, ist jetzt verfügbar und ist bestens gerüstet für den Rückbau. Beim sicheren Einschluss würde die Kraftwerksmannschaft bis auf wenige Mitarbeiter reduziert. In der Konsequenz hieße dies, dass nach Ende des sicheren Einschlusses – also in rund 30 Jahren – neues Personal rekrutiert werden müsste, das die Anlage rückbauen muss, ohne sie zu kennen.
- Die vorhandene Infrastruktur ist heute durch die kontinuierliche Wartung und Instandhaltung in bestem technischem Zustand. In 30 Jahren wäre das nicht mehr gegeben.
- Aus Sicherheitsaspekten sind beide Varianten gleichwertig. Aus Strahlenschutzaspekten ist der sichere Einschluss sogar aufwändiger als der direkte Rückbau.
- Von diesen Vorteilen abgesehen: Beim sicheren Einschluss würden wir den Rückbau auf kommende Generationen verschieben, die die Technologie nicht genutzt haben.
- Weiterführende Informationen (3. Ebene, Link unter Fakt und Link unter Erläuterung)
- https://www.gesetze-im-internet.de/atg/__7.html
- http://www.bmub.bund.de/themen/atomenergie-strahlenschutz/nukleare-sicherheit/stilllegung/stilllegungsstrategien-und-abbautechniken/
- http://www.bild-der-wissenschaft.de/bdw/bdwlive/heftarchiv/index2.php?object_id=33222118
- http://www.energiewelten.de/elexikon/lexikon/seiten/htm/020630_Abschirmung_von_Strahlung.htm
- http://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2016/20160427-kommission-zur-ueberpruefung-der-finanzierung-des-kernenergieausstiegs.html
Zitat: „Gute Aussichten für eine Klage bietet […] die geplante Freimessung von Abfall aus den kerntechnischen Anlagen. Es seien nur stichprobenartige Untersuchungen auf bestimmte radioaktive Stoffe vorgesehen." „Auch der Deutsche Ärztetag habe sich Ende Mai in einer Entschließung dagegen ausgesprochen, dass schwach radioaktiver Restmüll verteilt werde; das sei eine vermeidbare zusätzliche Strahlenbelastung."
Fakt: Die Behandlung, Verpackung und der Verbleib jeglicher Materialien aus einem Kontrollbereich unterliegen zu jedem Zeitpunkt gesetzlichen Regelungen und regelmäßigen Kontrollen, ebenso wie die Einhaltung von Grenzwerten. Die gezogenen Stichproben sind qualifiziert (d. h. vom Gutachter geprüft) und repräsentativ. Den Messungen unterzogen werden alle Massen.
Stoffe, die die Kriterien für eine zweckgerichtete Freigabe erfüllen, weisen eine Aktivität auf, die vergleichbar ist mit der Aktivität von Stoffen (z. B. Baustoffe), mit denen wir tagtäglich umgehen. Sie als radioaktiven Abfall zu bezeichnen ist absurd.
- Erläuterung
- Beim Rückbau eines Kernkraftwerkes fallen - wie bei jeder Industrieanlage - Bauschutt, Kabel oder Metalle an, die zum überwiegenden Teil nicht mit Radioaktivität in Berührung gekommen sind. Beispielsweise sind ca. 90 % der gesamten Kontrollbereichsmassen Gebäudeteile, allen voran das von außen sichtbare Reaktorgebäude. Abgesehen von der ohnehin vorhandenen natürlichen Aktivität dieses Materials darf es keine zusätzliche Aktivität aufweisen, die oberhalb der von der Strahlenschutzverordnung festgelegten Freigabewerte für die Deponierung liegen darf. Sonst wäre es radioaktiver Abfall. Das müssen wir nachweisen. Das bedeutet: Jegliches Material, das zum Kontrollbereich des KKU gehört, könnte theoretisch kontaminiert oder aktiviert sein. Daher muss es untersucht bzw. gemessen werden. Liegt eine Aktivität vor, die oberhalb der in der Strahlenschutzverordnung hinterlegten Freigabewerte für die Deponierung liegt, wird es – wo dies sinnvoll und möglich ist - dekontaminiert.
- Der Freigabe liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Entlassung aus der strahlenschutzrechtlichen Überwachung verantwortet werden kann, wenn dadurch für eine Einzelperson der Bevölkerung nur eine zusätzliche Dosis im Bereich von 10 μSv pro Jahr auftreten kann (Mikrosievert = 1 Millionstel Sievert).
- Das 10 µSv-Konzept stellt den aktuellen Stand der Wissenschaft im Bereich Strahlenschutz dar und beruht auf den Empfehlungen der internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP). Es wurde sowohl in internationales als auch nationales Recht überführt. Auch in den neuen EU-Strahlenschutz-Grundnormen von 2013, die derzeit in deutsches Recht umgesetzt werden, hat die EU – basierend auf der neuesten ICRP-Empfehlung von 2007 und den neuen internationalen Strahlenschutz-Grundnormen der IAEA von 2011 – das 10 µSv-Konzept erneut bestätigt und das Verfahren der Freigabe vertieft und erweitert.
- Die Freigabewerte in der Strahlenschutzverordnung wurden so entwickelt, dass diese zulässige Dosis auch unter den ungünstigsten Umständen nicht überschritten werden kann. In Folge bedeutet das, dass kein Anwohner einer Deponie mit einer zusätzlichen Dosis von 10 Mikrosievert pro Jahr aus der Deponierung von Materialien aus dem KKU belastet werden wird.
· Vergleichswerte bezogen auf ein Jahr sind z.B.:
Dosis in Mikrosievert pro Jahr |
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10 |
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Max. Belastung durch die Deponierung von Materialien aus dem KKU |
20 |
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Belastung durch Schlafen neben dem Partner |
1.500 |
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Rauchen von täglich 1,5 Schachteln Zigaretten |
1.800 |
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Durchschnittliche Belastung in Deutschland aufgrund medizinischer Behandlungen |
2.000 |
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Durchschnittliche Belastung in Deutschland aufgrund radioaktiver Stoffe im Boden |
- Weiterführende Informationen (3. Ebene, Link unter Fakt und Link unter Erläuterung)
- http://www.icrp.org/
- https://www.gesetze-im-internet.de/strlschv_2001/BJNR171410001.html
- http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Strahlenschutz/strlschv_novelle_2001_freigabe.pdf
- https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/A/atomausstieg/faqEntsorgungsvereinbarung.html
- https://um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-um/intern/Dateien/Dokumente/2_Presse_und_Service/Pressemitteilungen/2017/170113_10-Mikrosievert-Konzept.pdf
- http://www.gesetze-im-internet.de/krwg/index.html
“Interessant" sei auch, wo der Kraftwerksbetreiber den Müll am Ende lagern wolle.“
Fakt: Es ist in breitem politischen Konsens gesetzlich festgelegt worden, dass schwach- und mittelradioaktive Abfälle aus der zivilen Nutzung der Kernenergie wie auch aus anderen Bereichen wie bspw. der Medizin in das bundeseigene Endlager Schacht Konrad verbracht werden. Dies war nicht die Entscheidung der Kernkraftwerksbetreiber.
- Erläuterung
- Schacht Konrad ist in einem atomrechtlichen Verfahren unter Öffentlichkeitsbeteiligung zum Endlager bestimmt und planfestgestellt worden.
- Nach Paragraph 9a Abs. 3 AtG hat der Bund Anlagen zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle einzurichten. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ist die dafür zuständige Behörde gewesen und damit verantwortlich "für die Errichtung und den Betrieb von Anlagen des Bundes zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle“. Diese Verantwortung ist nun auf die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) übergegangen. Diese Entscheidung lag nicht in der Verantwortung der Kernenergiebetreiber.
- Gegen den Planfeststellungsbeschluss wurden mehrere Klagen eingereicht, die zunächst durch das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg abgewiesen wurden, was später durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt wurde. Damit sind die Urteile des Oberverwaltungsgerichtes in Lüneburg rechtskräftig, der Planfeststellungsbeschluss bestandskräftig und vollziehbar.
- Weiterführende Informationen (3. Ebene, Link unter Fakt und Link unter Erläuterung)
- http://www.endlager-konrad.de/Konrad/DE/home/home_node.html
- http://www.bfs.de/Konrad/DE/themen/endlager/notwendigkeit/notwendigkeit.html
- https://www.bge.de/de/konrad/
- http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=260307B7B75.06.0